

Mit Lampenfieber auf den Brettern stehen, die die Welt bedeuten. Während der Angstschweiß rinnt, dem Publikum zeigen, wie sich der innere Konflikt nach außen trägt. Authentisch und glaubwürdig, bitteschön. Gefühle nicht nur spielen, sondern eben auch fühlen. Und dabei: Text nicht vergessen!
Berufsbild eines Schauspielers. Wer sich traut, die Ausbildung zum Schauspieler überhaupt erst zu beginnnen, hat sich bereits meinen Respekt verdient. Schauspielen, das ist nicht einfach dem Publikum etwas vorspielen. Dann wäre es ein Vorspieler – ein Wort, bei dem einen die Unauthentiztät geradezu anspringt. Bevor das Vorspielen zum Schauspielen wird, muss man nicht nur jede Menge Handwerk erlernen, sondern auch jemanden ganz bestimmten bis in alle Untiefen kennen lernen: Nämlich sich selbst.
Ein Fazit, mit dem ich aus gut 2,5 Stunden Schauspielunterricht rausgehe. Die Schauspielschule STARTER in Berlin hat mich zum offenen Schauspielkurs eingeladen. Neben der etwas mehr als zweijährigen Schauspielausbildung bietet STARTER auch einen offenen Schauspielkurs an, zu dem sich wöchentlich alle diejenigen zusammen finden, die das Schauspielen als Hobby und Bereicherung für Beruf & Leben sehen. Auch an diesem Donnerstag ist es eine bunte Truppe. Ich bin umgeben von beispielsweise einer Bäckerin, einem Büroangestellten und einer Moderatorin.
Wie läuft eine Schauspielstunde ab?
Wir beginnen uns aufzuwärmen. Ich gebe es zu, während der ersten Runden des durch den Raum-Hüpfens frage ich mich, was das denn jetzt bitte mit Schauspielern zu tun haben soll. Es macht Spaß. Wir tanzen, rennen, spielen verschiedene Gemütslagen durch und tun all das zwar zusammen, aber doch eigentlich nur für uns selbst und vor allem ganz bei uns selbst. Ich frage mich, wann ich denn das letzte mal mit einer so unglaublich großen Portion an Beklopptheit durch einen Raum oder über die Straße gehüpft bin? Es fühlt sich frei an. Ich merke schnell: Wie sonst willst du ein Gefühl von Freiheit spielen, wenn du gar nicht weißt, wie es sich anfühlt? Also: tanze!
Nach der Aufwärmphase, die oft noch Sprechtraining enthält, geht es klassischerweise weiter mit dem Hauptteil der Stunde. Das kann beispielsweise das Erlernen und Vertiefen einer bestimmten Technik, freies Spiel oder auch Kameraübungen sein. Alles, was man eben in einer ganz normalen Schauspielausbildung auch machen würde. In einem anderen Tempo und einer anderen Intensität zwar, aber es ist Schauspielkurs.
Heute sind Tschechows Atmosphären dran. Einige nicken wissend, ich gucke und warte. Es ist ein offener Kurs, was heißt, dass das Programm nicht gezwungener Maßen von Woche zu Woche aufeinander aufbaut. Man muss auch keine Vorkenntnisse mitbringen. Die Dozentin Liz Hencke passt das Programm jeweils auf den Wissenstand der Teilnehmer an. Ich bekomme also auch eine Einführung in die Atmosphären-Übung.
Ein kurzer Abriss für euch: Schauspiel findet nicht in einem leeren Raum statt, uns umgibt stetig eine Atmophäre, in der wir agieren. Ziel war es, sich diese Atmosphäre sehr lebendig vorzustellen. Es kann ein Geruch, eine Musik oder ein Geschmack sein. Je nachdem, welche Atmosphäre dich umgibt, ändert sich auch deine Körperhaltung, dein Gesichtsausdruck, deine Interaktion mit anderen. Wenn man es schafft, sich diese Atmosphäre, wie beispielsweise ein beißender Uringeruch, konzentriert vorzustellen, erlebt man, wie sich automatisch eben jene Dinge wie Körperhaltung etc. auf die aktuelle Situation anpassen. Ist man in der Atmosphäre angelangt, so spielt man die Reaktionen nicht nur, man reagiert auf den unangenehmen Geruch, den man sich gerade so eindringlich vorstellt. In der Stimmung und der Atmosphäre angekommen zu sein, macht das Vorspielen zu einem authentischen Schauspiel.
Wir improvisieren gemeinsam weiter, leben uns in unseren Atmosphären aus und diskutieren zum Abschluss, wer denn in welcher Atmosphäre gesteckt hat und wie diese umgesetzt wurde. Faszinierend, es waren Atmosphären wie Tonabfolgen, Geschmäcker wie „sauer“, Zustände wie „neblig“ dabei – gemeinsam erraten wir fast alle Atmosphären. Mir scheint, schauspielern schärft nicht nur die Wahrnehmung für sich selbst, sondern auch für deinen Gegegenüber.
Mut – die Zutat der Wahl
Zum Abschluss setze ich mich noch mit Liz, der Lehrerin, zusammen. Sie ist ausgebildete Schauspielerin. Sollte ich ihrer Atmosphäre einen Namen geben, es wäre die Präsenz. Sie ist im hier und jetzt, sie ist aufmerksam und erfüllt den Raum. So wie es ein Schauspieler tut, wenn er auf die Bühne tritt.
Ich frage sie, was man mitbringen sollte, wenn man an den offenen Kursen teilnehmen möchte. Vorkenntnisse? Die eigene Gewissheit ein Talent zum Schauspielern zu haben? Nein, weder noch. Mut, Offenheit und Neugier. Das sind die Zutaten, mit denen man starten sollte. Klingt bodenständig und einfach, verlangt einem aber trotzdem einiges ab. Ich gehen nach den 2,5 Stunden aus der Schauspielschule raus und fühle mich nach ausgiebigem Sport, gekoppelt mit stetigen Kopfrechenübungen. Mutig sein ist anstrengend, genauso anstrengend wie sich selbst kennen zu lernen. Man muss mit dem Kopf und auch mit dem Körper dabei sein und beides auch noch irgendwie aufeinander abstimmen.
Warum sollte ich nun also zum Schauspielunterricht gehen, auch wenn ich niemals auf eben jenen Brettern stehen möchte, die die Welt bedeuten? Schauspielern ist kein Solo-Ding. Meistens jedenfalls nicht. Es schärft daher nicht nur die Wahrnehmung für sich selbst und die eigenen Reaktionen, nein, dies gilt ebenfalls für die Reaktionen deines Gegenübers. Schauspieler sind darauf angewiesen, die Körpersprache des anderen lesen zu können, sich aufeinander einzulassen und auch gemeinsam mutig zu sein.
Das muss nicht unbedingt nur für die Schauspielkollegen gelten, sondern lässt sich auch auf die ganz normale Welt und den Alltag übertragen. Es entwickelt sich eine Sensibilität für die Umwelt, man nimmt Stimmung und Atmosphäre war, beginnt wieder aufmerksam den Gegenüber zu betrachten. Neben der Tatsache, dass es uns allen gut tut, ab und an mal mutig zu sein uns ins kalte Wasser zu springen, ist es gerade der Aspekt der neuen, aufmerksamen Wahrnehmung in einer reizüberfluteten und digitalisierten Welt, der mich auch nach der Schauspielstunde noch lange begleitet.
Wer es mal ausprobieren möchte:
Wo: STARTER, Berliner Schauspielschule für Film und Fernsehen
Oderberger Strasse 22,
10435 Berlin
Wann: jede Woche Donnerstag, 19-21 Uhr, vorherige Anmeldung notwendig
Preis: 23€ / Termin
Liebe Grüße
Dani
Wir danken der STARTER Schauspielschule für die Zusammenarbeit und freundliche Unterstützung!
Titelbild: TheArches, Flickr
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ein sehr gut geschriebener Artikel! Es hat mir viel Spaß gemacht beim Lesen 🙂
Vielen lieben Dank, Thao. Freut mich, dass er dir gefallen hat!